zondag 3 oktober 2010
In der sich auffächernden, kaum mehr durch beherrschende Strömungen kanalisierten gegenwärtigen Kunstszene gewinnt neben und zum Teil mit der Malerei die Zeichenkunst der jungen Generation Terrain. Der Charakter der Zeichnung als Fundament der bildnerischen Formulierung erfährt insofern eine Modifikation, als ihr stilbildender handschriftlicher Duktus, der das zeichnerische Werk gemeinhin strukturiert und zusammenhält, an vielen Stellen unbefangen durchbrochen und aufgelöst wird.
Ob dies allein jugendlicher Frische und Unvoreingenommenheit zuzuschreiben ist, bleibt abzuwarten. Gewiss ist, dass die gemeinhin unterschwellige Sorge um die Homogenität des Werkes den Jungen wenig Kopfzerbrechen bereitet. Sie hantieren unbefangen mit den bildnerischen Mitteln, wobei ihnen freilich der Umstand hilft, das die vorhergehende Generation vor allem die Möglichkeiten zeichnerischer Formulierungen, innerhalb der Geschlossenheit des Persönlichen, bis zum Äußersten erweitert hat.
Jugendliche Spontanität geht vielfach einher mit Beträchtlicher Produktivität. So verwundert es nicht, in machen Ateliers voluminösen Stapeln von offenen zeichnerischen Resultaten zu begegnen, deren nervige Unmittelbarkeit so sehr weit entfernt ist von bedachtsam entwickelnder Systematik und geordneter Akkumulation.
Bei Servatius Janssen sind Zeichnungen vielfach Exerzierfelder der Metamorphose, indem er die meisten seiner Blätter in Laufe von Jahren immer wieder vornimmt, um sie durch Überarbeitungen zu verändern oder anzureichern. Auf diese Weise wird das Feld der Reflexion, das zu Beginn als Spiegel seiner Aktionen, Erlebnisse und Pläne intakt war, fortwährend verdunkelt und durchsiebt.
Insofern ist Janssen getragen von der zeichnerische Sprache der jungen Generation, die sich von der Homogenität einer persönlichen Handschrift gelöst hat.
Hans van der Grinten, Kranenburg, August 1981